Barmer entwickelt Modell gegen gefährlichen Pillen-Mix

Es ist ein Killer, der viermal mehr Todesopfer fordert als der Straßenverkehr: 20.000 Menschen sterben in Deutschland, weil die Medikamente, die sie einnehmen, eine verhängnisvolle Wechselwirkung entfalten. Mit einem neuen Modell, in dem Hausarzt und Hausapotheke eng zusammenarbeiten, will die Barmer die Sicherheit und Behandlungsqualität für Patienten erhöhen. „Die negativen Arzneimittel-Wechselwirkungen kosten Menschenleben, schaffen viel Leid, 300.000 Krankenhausaufenthalte im Jahr und hohe Kosten ? allein bei uns bei der Barmer jährlich 50 Millionen Euro“, erläuterte gestern Landesgeschäftsführer Thomas Wortmann.Dabei sei ein großer Teil der Misere vermeidbar, wenn Ärzte, Patienten und Apotheker enger zusammenarbeiten würden. „Denn in der Realität weiß oft der eine nicht, was der andere tut. Die Koordination fehlt“, sagte Dr. Hans-Herbert Köhler vom Vorstand des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein: Da besucht der Patient nacheinander diverse Arztpraxen, bekommt immer mal wieder etwas anderes verordnet und besorgt sich schließlich noch selbst Mittelchen gegen weitere Wehwehchen ? nicht ahnend, dass dieser Cocktail in seinem Körper gefährliche Reaktionen auslösen kann. Dieses Risiko soll nun das neue Modell minimieren ? und dem Gesundheitswesen auf Dauer Geld einsparen.In der Praxis wird das ab 1. März für den Versicherten der Barmer so aussehen: Auf freiwilliger Basis schreibt er sich bei der Kasse für ein Jahr für das Modell ein und bekommt einen Aufkleber auf seine Versicherten-Karte. Ab sofort braucht er nur noch einmal im Jahr zehn Euro Praxisgebühr zu bezahlen. Im Gegenzug muss er bei Beschwerden immer zuerst zu seinem gewählten Hausarzt gehen, der ihn durch das Gesundheitssystem lotst. Und der Patient muss alle verordneten und am besten auch alle anderen Medikamente bei seiner frei gewählten Hausapotheke kaufen. „Dort werden alle Arzneimittel auf einem Medikonto aufgelistet. Besteht die Gefahr von negativen Wechselwirkungen, nimmt der Apotheker Kontakt mit dem Arzt auf“, sagte Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes in Schleswig-Holstein. Wird der Patient vom Hausarzt zum Facharzt oder ins Krankenhaus und zurück geschickt, kann er nicht nur die ärztliche Dokumentation, sondern auch den Auszug vom Medikonto mitnehmen.“Damit reduzieren wir Doppel- und Fehlbehandlungen. Diese enge Kooperation ist revolutionär in unserem Gesundheitssystem. Ich hoffe, dass auch andere Kassen das bald bundesweit anbieten“, lobte Gesundheitsministerin Gitta Trauernicht. Bisher haben 25 Prozent der Hausärzte, die sich damit zu regelmäßigen Fortbildungen verpflichten, und 70 Prozent der Apotheken, die die EDV bereitstellen müssen, im Land ihre Teilnahme zugesagt. Ein Problem der verheerenden Arzneimittelwirkungen wird das Modell aber nicht lösen: „Wir erleben immer mehr, dass Medikamente auf den Markt kommen, die nicht ausgereift sind“, kritisierte Hans Köhler.Quelle: NordClick.de (H.Stüben)